Kapitalgesellschaften können Verlustvorträge grundsätzlich nicht mehr nutzen, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % des Anteilsbesitzes auf einen Erwerber übergehen (quotaler Untergang bei über 25 % bis 50 %). Erfolgt der schädliche Beteiligungserwerb indes während des laufenden Wirtschaftsjahrs, kann ein bis zu diesem Zeitpunkt erzielter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlust verrechnet werden. Mit diesem Urteilstenor widerspricht der Bundesfinanzhof der Auffassung der Finanzverwaltung.
Beispiel: Zum 31.12.2010 verfügt die A-GmbH über einen Verlustvortrag von 100.000 EUR. Am 30.9.2011 veräußert der Alleingesellschafter A seine Anteile an den neuen Gesellschafter B. Der auf den 30.9.2011 aufgestellte Zwischenabschluss weist einen Gewinn von 100.000 EUR aus.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll der Gewinn bereits dem neuen Anteilseigner wirtschaftlich zuzurechnen sein. Diese Sichtweise hat zur Folge, dass der Verlustvortrag von 100.000 EUR vollständig untergeht und A den Gewinn voll versteuern muss.
Nach der aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird der bisher nicht ausgeglichene Verlust (Verlustvortrag) in der Höhe eines bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Gewinns gerade nicht für das neue, sondern noch für das alte wirtschaftliche Engagement genutzt. Diesem Grundgedanken entspricht auch die unstreitige Praxis, bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erwirtschaftete negative Einkünfte in die Verlustabzugsbeschränkung einzubeziehen.
Fazit: Infolge der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann A den Verlustvortrag mit seinem Gewinn verrechnen.
Hinweis: Inwieweit es überhaupt zulässig ist, dass ein Gesellschafterwechsel bei einer Kapitalgesellschaft dazu führt, dass Verluste vollständig oder teilweise verloren gehen, wird bald das Bundesverfassungsgericht klären müssen. Den Richtern liegt zu dieser Frage nämlich eine Verfassungsbeschwerde vor (BFH-Urteil vom 30.11.2011, Az. I R 14/11; BVerfG unter Az. 2 BvL 6/11).