Ob Stückzinsen in bestimmten Fällen steuerfrei vereinnahmt werden können, war seit Einführung der Abgeltungsteuer strittig. Die Finanzverwaltung hatte sich stets dagegen ausgesprochen, was sich schließlich im Jahressteuergesetz 2010 niedergeschlagen hat. Konsequenz: Die in 2009 und 2010 steuerfrei vereinnahmten Stückzinsen müssen nachversteuert werden.
Hintergrund
Stückzinsen stellen aus wirtschaftlicher Sicht Zinseinnahmen dar. Bei der Veräußerung eines festverzinslichen Wertpapiers vergütet der Käufer dem Verkäufer zeitanteilig die Zinsen, die seit dem letzten Fälligkeitstermin entstanden sind.
Der Streit, ob vereinnahmte Stückzinsen steuerpflichtig sind, bezieht sich auf die Fälle, in denen festverzinsliche Wertpapiere vor 2009 angeschafft und außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist in 2009 oder 2010 veräußert wurden. Aufgrund einer gesetzlichen Regelungslücke wurde in der Literatur die Meinung vertreten, solche Stückzinsen könnten steuerfrei vereinnahmt werden. Durch das Jahressteuergesetz 2010 wurde nun „klargestellt“, dass Stückzinsen in jedem Fall steuerpflichtig sind.
Gesonderte Steuerbescheinigungen
Da die Kreditinstitute in den vorgenannten Fällen in 2009 und 2010 keinen Steuereinbehalt vorgenommen hatten, sind die Erträge in der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen.
Ein aktuelles Schreiben des Bundesfinanzministeriums regelt, dass die Banken gesonderte Steuerbescheinigungen über die in 2009 und 2010 steuerfrei vereinnahmten Stückzinsen erstellen müssen. Die Steuerbescheinigungen sind den Steuerpflichtigen bis zum 30.4.2011 zuzusenden.
Das amtliche Muster für die Steuerbescheinigung enthält Hinweise, wie der Steuerpflichtige vorzugehen hat:
- Wurden die Stückzinsen bereits angegeben, bedarf es keiner weiteren Erklärung des Steuerpflichtigen.
- Sofern noch keine Steuererklärung abgegeben worden ist, sind die Stückzinsen in die Anlage KAP einzutragen. Die Steuerbescheinigung ist der Steuererklärung beizufügen.
- Sollte die Veranlagung bereits erfolgt sein, muss die Anlage KAP nicht berichtigt werden. Es reicht aus, die Steuerbescheinigung einzureichen und einen formlosen Antrag zu stellen, dass die bescheinigten Stückzinsen zu berücksichtigen sind.
Hinweis: Zu der Frage, ob das Jahressteuergesetz 2010 wirklich nur klarstellenden Charakter hat oder ob es sich vielmehr um einen rückwirkenden (unzulässigen) Steuertatbestand handelt, ist beim Finanzgericht Münster ein Musterverfahren anhängig. Nach Auskunft der Oberfinanzdirektion Münster bestehen keine Bedenken, Einspruchsverfahren ruhend zu stellen, sofern der Einspruch auf das anhängige Verfahren gestützt wird (BMF-Schreiben vom 16.12.2010, Az. IV C 1 – S 2401/10/10005; Klageverfahren FG Münster, Az. 2 K 3644/10; OFD Münster vom 2.2.2011, Kurzinformation Nr. 3/2011).